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Gendrift: Die zufällige Verschiebung der Häufigkeit von Allelen/Genen innerhalb einer Art oder Population, die somit nicht durch natürliche Selektion hervorgerufen wurde (synonym: Sewall-Wright-Effekt).
     Durch die ~ können vormals seltene Allele/Gene reduziert, eliminiert oder in selteneren Fällen auch zahlreicher werden, es können aber in Extremfällen auch vormals häufige Allele/Gene seltener werden. ~ tritt generell in allen Populationen auf, da außer in sehr seltenen Ausnahmesituationen nie alle Nachkommen eines Elternpaares überleben und zur Fortpflanzung kommen. Sie zeigt jedoch nur in kleinen Populationen eine langfristige Wirkung, da diese in größeren Populationen wegen Genfluß und Panmixie wieder neutralisiert wird. Eine Rechnung soll die Grundlage der zufälligen Häufigkeitsverschiebung veranschaulichen:

Ein Elternteil ist heterozygot und trägt die Allele Aa, wobei a ein seltenes Allel ist. Der andere Elternteil ist homozygot mit den Allelen AA. Gemäß der Mendelschen Regeln tragen in der nächsten Generation dieses Paares 50% der Nachkommen die Allele AA, die anderen 50% Aa. Somit bleiben rein rechnerisch die beiden Allelhäufigkeiten gleich (AA:Aa = 1:1).

Aa x AA

F1: AA AA Aa Aa

Überleben aber nur 2 der Nachkommen, die (statistisch) die Planstellen der Eltern übernehmen (was in der Natur mit Abstand die dauerhafteste Situation ist, da freigewordene Planstellen sofort besetzt werden, der Rest ohne ergatterte Planstelle stirbt oder zumindest nicht zur Fortpflanzung gelangt), oder erzeugt das Elternpaar nur 2 Nachkommen, dann haben in

50% der Fälle die beiden Nachkommen die Allele AA und Aa, in

25% der Fälle die beiden Nachkommen die Allele Aa und Aa, und in

25% der Fälle die beiden Nachkommen die Allele AA und AA.

In 50% der Fälle ändert sich demnach die Allelhäufigkeit nicht (AA:Aa = 1:1), in 25% der Fälle hat sich die Häufigkeit von a in der nächsten Generation verdoppelt, (AA:Aa = 0:2) respektive a wurde in 25% der Fälle eliminiert (AA:Aa = 2:0), ohne daß die Natürliche Selektion eine Rolle dabei spielte.

Da ein Individuum pro Nachkomme immer nur die Hälfte seiner Gene vererbt, also von zwei verschiedenen Allelen das eine vererbt, das andere gar nicht, ist der Vorgang der ~ restlos analog zur Vererbung von Familiennamen nach dem alten Namensrecht: Die (eheliche) Mutter vererbt ihn nie, der Vater immer (zu unehelichen Kindern hat die Natur an dieser Stelle keine Parallelen). Kommt beispielsweise der Name Hotzenplotz nur einmal vor, so ist er bei Kinderlosigkeit der Namensträger (oder Abwandern der Kinder) oder wenn die Nachkommen nur Töchter sind, die bei Heirat den Namen des Mannes annehmen nach einer Generation, respektive wenn sie unverheiratet sterben, nach zwei Generationen vollständig aus dem Ort verschwunden. (Sind Söhne unter den Nachkommen, die nicht abwandern oder kinderlos sterben, hält sich der Name natürlich länger). Bei wesentlich häufigeren Namen wie Meier, Müller, Schmidt hat jedoch ein verschwundener Schmidt-Zweig nicht die vollständige Elimination des Namens im gesamten Dorf zur Folge. In Großstädten hingegen ist die Wahrscheinlichkeit, daß der Name Hotzenplotz mehrfach auftritt, größer, somit verschwindet der Name nicht vollständig beim Verlust eines Zweiges.
     Ein drastischer Fall von ~ findet durch eine plötzliche Verarmung des Genpools statt: Wird durch die räumliche Isolation kleiner Teile einer Population, im Extremfall durch die Verdriftung eines schwangeren Muttertieres einer sich sexuell fortpflanzenden Art, der Genpool der Ausgangspopulation verkleinert und aus diesem Restbestand der neue Genpool wieder aufgebaut, spricht man vom Gründereffekt. Bewirkt die Exstinktion von Teilen einer Art/Population durch Katastrophen (Unwetter, Überschwemmungen, Meteoriteneinschlag etc.), die Genpoolverarmung der Ausgangspopulation, spricht man vom Flaschenhalseffekt. Über die Nützlichkeit dieser Unterteilung kann man jedoch streiten, da Voraussetzung (plötzliche Genpoolverarmung) und Folge (eben die ~) völlig gleich sind, beides nur Untermengen der ~ darstellen. Populationen, die einer starken ~ ausgesetzt waren, scheint man an ihrem hohen Grad an Homozygotie erkennen zu können.
     Unsinnigerweise wird seit ca. 20 Jahren in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen die ~ als Evolutionsfaktor aufgeführt; da sie den Genpool verkleinert statt ausweitet, ist sie das so wenig wie z.B. ein Erdbebenschaden einer Stadt ein »architektonischer Faktor« (im Gegensatz etwa zur Erfindung von Keilsteinen oder Beton).


 
 
 

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