A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
Y
Z

 
 
Leben
Lebenserwartung
Logarithmus
 Artikel Drucken 

Leben: defizitäres, sich selbst aktiv reproduzierendes Fließgleichgewicht (Homöostase). Das ~ ist also ein Prozeß und keine Substanz.
     Es ist an makromolekulare Stoffe in einem abgegrenzten Raum (Zelle/Körper) gebunden. Diese makromolekularen Stoffe sind Baustoffe und Energie-Speicherstoffe. Je höhermolekular ein Stoff ist, desto mehr Energie ist zu seinem Aufbau notwendig, desto mehr Energie ist in ihm gespeichert, diese Energie kann aber auch bei seinem Abbau wieder freigesetzt werden. Die Bauinformationen für diese körpereigenen Verbindungen sind in einigen von diesen selbst enthalten (Erbanlagen).
     Als Fließgleichgewicht wird das ~ deshalb bezeichnet, weil der abgegrenzte Raum ständig von außen Stoffe aufnimmt und andere wieder abgibt, ohne seine Struktur zu verändern. Dieser abgegrenzte Raum hält einen von der Umwelt abweichenden Zustand unter Energieaufwand aufrecht. Dieser Zustand kann etwa ein bestimmter Feuchtigkeitsgehalt oder eine andere sonstige Stoffkonzentration, eine andere Temperatur oder auch eine Bewegung gegen die Schwerkraft sein, meist sind es jedoch mehrere von der Umwelt abweichende Eigenschaften.
     Das Defizit des Fließgleichgewichtes entsteht durch die für seine Aufrechterhaltung und für den Aufbau und Reproduktion der es beherbergenden materiellen Struktur notwendigen Energie und den Baustoffen. Dieses Defizit kann auf zwei unterschiedliche Weisen ausgeglichen werden: 1.: Aufbau der energiereichen körpereigenen Stoffe (organische Stoffe) aus einfachen anorganischen Verbindungen. Die dazu benötigte Energie wird aus der Umwelt aufgenommen, i.d.R. als Lichtenergie (in frühen heute seltenen Fällen chemische Energie durch Oxydation von Schwefel(-verbindungen), es gibt auch noch einige andere, verglichen mit der Photosynthese mäßig effiziente Energiegewinnungsformen). Diese Lebensweise nennt man autotroph (selbsternährend). In diese Kategorie gehören vor allem die Pflanzen, welche in ihren Zellen mit Hilfe des grünen Blattfarbstoffes (Chlorophyll) aus Wasser und Kohlendioxyd unter Zufuhr von Lichtenergie Zucker herstellen (Photosynthese). Die Sonnenenergie deckt also den allergrößten Teil sämtlicher Defizite ab, welche auf unserem Planeten durch ~ entstehen bzw. ausgeglichen werden müssen; sollte es belebte Exoplaneten geben, so ist auf ihnen eine analoge Grundlage zu vermuten. Der von den Pflanzen solcherart produzierte Zucker wird als Energiespeicherstoff oder als Rohstoff zum Aufbau anderer organischer Stoffe verwendet.
     Oder 2.: Es werden energiereiche organische Stoffe aufgenommen (Fette, Zucker, Eiweiße), welche andere Lebewesen, entweder Bakterien oder Pflanzen oder Pflanzenfresser, aufgebaut haben. Ein Teil davon wird unter Energiefreigabe zu einfacheren, meist anorganischen Stoffen abgebaut und ein anderer Teil nach mehr oder weniger Umbau als Baustoff verwendet. Diese Lebensweise nennt man heterotroph (fremdernährend). Alle Tiere und Pilze sowie viele Bakterien gehören in diese Kategorie. Der Aufbau von körpereigenen aus körperfremden Stoffen unter Energiezufuhr heißt Stoffwechsel. Dieser Stoffwechsel ist das entscheidende Kennzeichen, welches bei allen Lebewesen vorhanden ist. Er kann bei Ruhe- oder Dauerformen auf ein Minimum reduziert sein, erlischt aber nie vollständig. Damit sind die Viren als Nicht-Lebewesen erkennbar, da sie keinen eigenen Stoffwechsel haben, sondern ihre Aufbaustoffe durch die Wirtszelle mit Hilfe der eingeschleusten Viruserbinformationen hergestellt werden. Sie sind auch aus schon vorhandenen primitiven Lebewesen als deren Fragmente entstanden, hätten also nicht aus unbelebten Bestandteilen entstehen können.
     Solange das Defizit ausgeglichen werden kann, sprechen wir von ~. Der Tod tritt ein, wenn dieses Defizit durch Mangel an Energie oder Stoffen aus der Umwelt oder Defekt der »Maschine« selber nicht mehr ausgeglichen werden kann und der Stoffwechsel daher zum Erliegen kommt.
     Die Reproduktion erfolgt gemäß einer in einem Teil der makromolekularen Stoffe (Erbinformation) codierten Anweisung, dabei verdoppeln sich auch diese Erbinformationen in (nahezu) identischer Weise. Da diese Reproduktion bei ausreichender Zufuhr der benötigten Stoffe und Energie exponentiell erfolgt (2, 4, 8, 16), gibt es schnell eine Konkurrenz um die endlichen Ausgangsstoffe, die dann nicht für alle Lebewesen reichen. Damit heißt schon auf autotropher Stufe ~ auch immer Töten. Reproduzieren werden sich eher die Systeme, deren Erbinformationen durch zufällige Änderung beim Verdopplungsvorgang einen Körper erzeugen, der im Kampf um die Ausgangsstoffe Vorteile hat (Evolution).
     Alle bekannten Lebewesen enthalten als Erbinformationen Nukleinsäuren und als wichtigste Baustoffe Eiweiße. In den Nukleinsäuren sind vier verschiedene Bausteine (Mononukleotide) in charakteristischer Sequenz angeordnet. Je drei aufeinanderfolgende codieren eine von 20 verschiedenen Aminosäuren, aus denen die Eiweiße aller Lebewesen aufgebaut sind. Da dieser Vorgang bei allen Lebewesen auf der Erde gleich abläuft, die Erbinformation gleich aufgebaut und codiert ist, muß alles (heute bestehende) irdische Leben auf einen einzigen Ursprung zurückgehen. Andere Formen mögen bestanden haben, aber der beschriebenen Konkurrenz erlegen sein.
     Dieser Ursprung lag in einer Zeit vor ca. 3,8 Milliarden Jahren. Schon weit vor diesem Zeitpunkt hatten sich unter Bedingungen der Uratmosphäre erste organische Stoffe gebildet. (Daß dies grundsätzlich recht schnell möglich ist, zeigen verschiedene Experimente, von denen das erste und bahnbrechende 1953 durch Stanley Miller durchgeführt wurde. Bei einer weiteren Reihe von Experimenten entstanden aus den anorganischen Stoffen die in der Uratmosphäre vorhanden waren, unter anderem auch Bausteine der Nukleinsäuren und Bausteine von Eiweißen. Diese müssen also auch irgendwann in der langen Zeit auf der Urerde entstanden sein.) Diese Moleküle reicherten sich, da es damals ja noch keine diese wieder zersetzenden Lebewesen gab, in der Ursuppe an und reagierten miteinander. Daraus müssen u.a. Ketten von Nukleinsäuren entstanden sein. Diese bestehen aus zwei Strängen (die meist in Form einer Doppelhelix vorliegen), von denen der eine eine Negativkopie des anderen ist. Wenn diese beiden Stränge getrennt werden, können sie sich identisch verdoppeln, indem sie die fehlenden Bausteine zu ihrer jeweiligen Negativkopie aus der Umgebung aufnehmen. Dieser Vorgang kann beliebig oft vonstatten gehen, aber die Geschwindigkeit war sicher zunächst sehr gering. Schneller wird der Vorgang, sobald ein Werkzeug (Eiweiß) gefunden ist, das die Aufspaltung der beiden Ketten erleichtert. Seit dem Zeitpunkt, als das das erste Mal geschehen war, konkurrieren die einzelnen Nukleinsäureketten um Bausteine. Gewonnen hat den Wettlauf die Kette, die das Werkzeugeiweiß selber synthetisieren konnte. Dadurch war ein Doppelsystem entstanden. Der erste Teil (Nukleinsäure) enthielt die Information zum Bau des zweiten (Eiweiß); dieser beschleunigte die Reproduktion des Systems. Von diesem System stammen alle irdischen Lebewesen ab, da dieser Vorgang bei allen die gleiche Struktur und Codierung hat, obwohl technisch noch viele ähnliche denkbar sind. Irgendwann mußten aber die Baustoffe knapp werden. Das System, welches es schaffte, sich mit einer Hülle zu umgeben, die die benötigten Stoffe hinein, aber nicht wieder heraus ließ, war hier im Vorteil und setzte sich durch. Damit war die Zelle entstanden, welche seither obligate Form sowie den Urbaustein aller Lebewesen bildet.
Über die weitere Geschichte des Lebens informiert die Biologie.

Literatur: Richard Dawkins, Der blinde Uhrmacher, D. Aichele, H.-W. Schwegeler, Die Blütenpflanzen Mitteleuropas, Band 1, Kapitel »Von der Ursuppe zur Samenpflanze«, Richard Fortey, Leben. Eine Biographie: Die ersten vier Milliarden Jahre, Fritz Erik Hoevels, Wie Unrecht hatte Marx wirklich, Band 1, 4. Kapitel "Biochemie der Freiheit"


 
 
 

Ahrimans VolksEnzyklopädie
© By courtesy of Ahriman