Diktator: (Lehnwort, lateinisch dictator, entstanden aus dicere »sagen, ansagen« bzw. dessen Frequentativ dictare) In Notzeiten gewählter Magistrat der altrömischen Republik mit umfassenden Vollmachten, aber begrenzter Amtszeit, später auch Bezeichnung für den unumschränkten Herrscher eines Staates.
     Das Amt des Diktators wurde um 500 v.d.Z., nach Überwindung der Königsherrschaft, in der Expansionsphase der altrömischen Republik geschaffen, um bei existentieller Bedrohung der Stadt oder des Staates das Prinzip der kollegialen Staatsführung durch die zwei aus den Reihen der Senatsoligarchie bestimmten Konsuln zu umgehen und Armee und Staat unter einheitliche Leitung zu stellen. Der Beschluß, einen ~ zu berufen, wurde vom Senat gefällt, die Ernennung erfolgte durch einen der Konsuln. Dem ~ wurde der Oberbefehl über die Armee und die Gerichtsbarkeit übertragen, alle Staatsbeamten wurden ihm untergeordnet, die Verwaltung der Staatskasse verblieb jedoch beim Senat. Das Amt war auf maximal sechs Monate befristet; legte der ~ sein Amt nicht freiwillig nieder, konnte er des Hochverrats angeklagt werden (affectatio regni, in etwa »Machtgier, Anstreben der Königsherrschaft«). Für alle in seiner Amtszeit durchgeführten Maßnahmen genoß der ~ lebenslange Immunität. Das Amt stand grundsätzlich allen Bürgern offen. Als Muster eines gesetzestreuen, pflichtbewußten ~s gilt Lucius Quinctius Cincinnatus (519-430 v.d.Z.).
     Die älteste Bezeichnung des Amtes lautete magister populi (in etwa »Befehlshaber des Fußvolks«), sie deutet, zusammen mit der sechsmonatigen, auf einen Kriegssommer bemessenen Amtszeit, auf den ursprünglich militärischen Charakter des Amtes hin. (Die Bezeichnung magister equitum »Reiteroberst« für den vom ~ zu ernennenden Stellvertreter blieb erhalten.) Bereits in frühester Zeit wurden ~en aber auch ernannt, um bei inneren Unruhen die staatliche Ordnung in Sinne der Senatsoligarchie wiederherzustellen. Das Wort dictator selbst übernahmen die Römer von den latinischen Städten, wo vergleichbare Ämter existierten, die oben genannte Etymologie wird zwar nicht mehr bestritten, ist in der Sache aber nicht völlig schlüssig.
     Nach dem Sieg im 2. Punischen Krieg und der Konsolidierung der römischen Herrschaft bestand keine (militärische) Notwendigkeit mehr, einen ~ zu berufen, der letzte ~ auf Basis der republikanischen Verfassung wurde 201 v.d.Z. ernannt. Während der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in der Endphase der Republik versuchten allerdings sowohl Sulla als auch Caesar, ihre Alleinherrschaft durch die Annahme des ~entitels zu legitimieren, beide standen aber schon aufgrund der fehlenden zeitlichen Befristung ihrer Ernennung außerhalb des geltenden Rechts. Nach der (aus Sicht der republikanischen Ordnung als »Tyrannenmord« durchaus berechtigten) Ermordung Caesar wurde das Amt abgeschafft (Lex Antonia). Die späteren römischen »Kaiser« des Prinzipats versuchten, ihrer Alleinherrschaft durch die Kombination des militärischen Oberbefehls in den Provinzen mit den Befugnissen der Volkstribunen einen republikanischen Anstrich zu geben.
     Obwohl nach der Antike nur noch wenige Staatsmänner den Titel des ~s namentlich beanspruchten (bspw. Garibaldi), waren die staatsrechtlichen Kernpunkte der Diktatur – befristete Alleinherrschaft in Notzeiten – noch bis ins 20. Jahrhundert bewußt, man findet sie ausführlich diskutiert bei Rousseau, und selbst Hitlers »Ermächtigungsgesetz« von 1933 enthält diese ausdrücklich. [Hätte Hitler entsprechend am 1. April 1937, nach der Vernichtung der KPD sowie der Liquidierung der weniger systemkonformen Parteiflügel um Strasser oder Röhm, sein Amt niedergelegt, dürfte sich seine geschichtliche Beurteilung nicht von der Sullas oder Pilsudskis unterscheiden.] Im allgemeinen Sprachgebrauch wurde der Begriff »Diktatur« allerdings meist nur noch als nicht-wertendes Synonym für »nicht ererbte Alleinherrschaft«, auch in Abgrenzung zum Begriff »Monarchie« gebraucht. (Trotzki nennt innerhalb eines Artikels die Begriffe »faschistische Diktatur«, »stalinistische Diktatur« und »Diktatur des Proletariats«, letztere ist dem Gehalt nach, was meist übersehen wird, mit der Demokratie im umfassenden Sinne identisch, da – von Marx – metaphorisch als Antithese zur Oligarchie i. S. einer [ebenfalls nicht staatsrechtlichen, sondern faktischen] »Diktatur der Bourgeoisie« formuliert, als Übergangsregierung nach deren Sturz.)
     Nach 1945 wurde das Wort »~«, vor allem in Deutschland, meist nur noch mit der emotionalisierten Bedeutung »Gewaltherrscher« benutzt, sogar wenn von verbündeten Machthabern wie dem Südkoreaner Park Chung Hee die Rede war. (Einem vergleichbaren Bedeutungswandel unterlag bereits in der Antike das Wort »Tyrann«.) Seit dem Untergang des Ostblocks wird »~« willkürlich, ohne Rücksicht auf die tatsächliche staatsrechtliche Stellung oder die Regierungsart der so bezeichneten Person, als propagandistische Hetzvokabel genutzt, egal ob es sich bei den als »~« bezeichneten Personen um einen sowohl vom Volk als auch vom Parlament gewählten Staatspräsidenten (Slobodan Milošević) oder um den ohne offizielles Amt regierenden Führer einer arabischen Volksrepublik (Muammar al-Gaddafi) handelt, auch rückwirkend, niemals jedoch für US-Präsidenten.


 
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