Rolle: 1) Zylinder von im Verhältnis zum Radius erheblicher bis extremer Höhe.
     ~n sind z.B. ebenmäßige Hölzer der entsprechenden Form, die unter quaderförmige oder ungefähr quaderförmige Lasten, z.B. Menhire, gelegt werden, um diese auf wenigstens annähernd ebenen Flächen leichter transportieren zu können, da sie die bei deren Ziehen eintretende Reibung erheblich verringern; die entgegen der Transportrichtung beim Transport freiwerdenden ~n werden dabei wieder von vorne unter den zu transportierenden Gegenstand gelegt. Auf dem Umweg über an durchgehenden, zum zu transportierenden Körper waagrecht zu deren Achse befestigten Stäben angebrachten Zylindern mit im Verhältnis zu ihren Radien geringer Höhe, welche das Nachlegen der ~n von vorne überflüssig machten, ist somit aus der ~ das Rad hervorgegangen. Dessen Erfindung war also nicht etwa das Ergebnis einer außergewöhnlichen Intelligenzleistung, sondern des Vorhandenseins größerer ebener Flächen, wie sie meistens künstlich hergestellt werden müssen und daher erst in einigermaßen entwickelten Kulturen zur Verfügung stehen, wenn diese nicht, wie z.B. diejenige der Inkas, in sehr bergigen Gegenden lokalisiert sind.

2) Die Aufgabe eines Schauspielers in einem aufzuführenden Stück, bes. der damit verbundene Text und der Charakter der darzustellenden Person.
     Die Bed. von 2) ist aus derjenigen von 1) hervorgegangen, da die Schauspieler etwa der Shakespearzeit ihre ~n anhand von Ausschrieben aus den vollständigen Stücken lernten, welche auf Papier~n geschrieben waren. Man unterscheidet »kleine« und »große« ~n, je nach Bedeutung der dargestellten Figur im Stück und daher der mutmaßlichen Beachtung, die ihr Darsteller im Publikum erwarten kann, Helden- und Schurken~n, Haupt- und Neben~n usw. In der Antike oft »Charakter« genannt und, ganz wie oft im japanischen Theater, durch Masken stereotypisiert.

3) in der Psychologie abgel. von 2): Das Verhalten eines Individuums in gegebenen Situationen gemäß den dann eintretenden Erwartungen seiner konspezifischen Umwelt, nicht seinen eigenen Intentionen.
     Die ~ wird durch die Erwartungen der konspezifischen Umwelt determiniert, wie sie durch Rang, Alter, Geschlecht, Konfession und sogar, oft mit diesen »Parametern« verknüpft, Beruf und ökonomische Position hervorgerufen werden. (Marx nennt daher in Anlehnung an (2) die ~n »Kunde« und »Anbieter« »Charaktermasken«).
     Das Phänomen der ~n wird dadurch kompliziert, daß die »sozialen«, also konspezifischen Verhaltenserwartungen, welche die ~n definitionsgemäß ausschließlich bestimmen, ihrerseits sowohl durch (»harmlose«, weil moralisch neutrale) biologische Tatsachen hervorgerufen werden (Kinder sind z.B. beweglicher und spielfreudiger als alte Leute, von denen das entsprechende Verhalten daher weniger als von Kindern erwartet wird – ein [freilich meist der Verharmlosung des Sachverhalts dienendes] häufiges Beispiel der einschlägigen Lehrbücher) als auch durch gesellschaftliche Gewaltverhältnisse, die beim Menschen im Gegensatz zu anderen Primaten die Ränge bestimmen können, von denen dann Verhaltenserwartungen (auch reziproker Art) ausgehen (insbesondere institutionalisierte Erblichkeit, die bewußt organisierte und alimentierte Gewaltapparate und ggf. -einsätze voraussetzt). Weitere Komplikationen der Analyse je beobachtbarer ~n ergeben sich aus folgenden Zusatzfaktoren:
     1) Zur Rechtfertigung, auf jeden Fall Festigung gesellschaftlich bestehender Vorteilsnahmen und Benachteiligungen werden ~n, die tatsächlich auf organisierten Gewaltstrukturen beruhen (z.B. Kolonisierender vs. Kolonisierter), auf natürliche Agentien zurückgeführt (Rasse, Geschlecht). Gender.
     2) Hat sich eine ~nerwartung, wie auch immer bedingt, gefestigt, so hat ein dieser entsprechendes Verhalten oft positive, fast immer wenigstens neutrale Reaktionen der konspezifischen Umgebung zur Folge, ein ihr nicht entsprechendes häufig feindselige. (Diese Reaktionen können unauffällig »eingeschliffen« wie auch, z.B. durch artikulierte Gewaltdrohungen [»Gesetze«], bewußt erzwungen sein.) Diese Reaktionen wirken auf das ihnen ausgesetzte Individuum i.S. der Lerntheorie als »Belohnungen« oder »Bestrafungen«, also »Extinktoren« oder »Verstärker«, und deren immer mehr gefestigte Wirkung kann dann, ganz i.S. sowohl der Lerntheorie wie der unverfälschten Psychoanalyse, unbewußt werden oder von vornherein unbemerkt ablaufen, so daß das Resultat als »Natur« des solcherart »konditionierten« Individuums sowohl behauptet wie wahrgenommen werden kann (»jüdische Natur«, »männliche Natur« usw.). Der Sicherung dieser Wahrnehmungsverzerrung gegen rationale (und daher die Fehler zersetzende) Analyse und empirische Ableitung dienen dann häufig Ideologien, da ihr Fortbestand öfters bevorteiligten gesellschaftlichen Gruppen die Fortsetzung ihrer Vorteilsnahme erleichtert, dieses oft auch indirekt. Das hindert nach den Gesetzen der Lerntheorie die durch diesen Fortbestand Benachteiligten keineswegs an der Übernahme der entsprechenden Ideologien, zumal diese Übernahme nach Vollzug in ihnen durch zahllose Vornahmen »kognitiver Dissonanzreduktionen« (KDR) sowie gelegentlichen bis gesellschaftlich aufgedrängten »sekundären Krankheitsgewinnen« immer weiter stabilisiert werden kann, bis sie schließlich ihr Verhalten und sogar Empfinden gemäß ihrer ~ für ihre Natur (»Identität«) halten und verteidigen.
     Oft haben Erlösungsreligionen den davon geplagten Individuen Befreiung von der ~ (bzw. »Konditionierung«) versprochen, meist in einseitiger und mangelhafter Weise; mehr Erfolg dabei verspricht die nach den Unveränderten Regeln Freuds durchgeführte Psychoanalyse, aber auch überhaupt die Verstandesanstrengung und der Erwerb einschlägiger, am besten übersichtsstiftender Erkenntnisse.


 
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