Ziffer: (von arab. sifr »Loch« – dieses entsteht leicht im Papier, wenn mit einem spitzen Gerät das arab. Zeichen für »Null«, nämlich ein Punkt in der Zeilenmitte, geschrieben wird): unzerlegbares Zahlzeichen. – Während Ägypter, Griechen und Römer mit ihren Zahlzeichen in irgendeiner Form nur die Sprache abbilden, welche für kleinere Zehnerpotenzen bzw. deren Hälften eigene Ausdrücke besitzt, und daher für größere Zahlen rasch an die Grenze ihrer Darstellungsmöglichkeiten kamen, gaben in der Antike erstmals Inder Zahlen ausschließlich als zu addierende Zehnerpotenzen wieder, wobei erstens die Zehnerpotenzen von vorn nach hinten in absteigender Reihenfolge zu ordnen sind, zweitens ein Zeichen, eben die ~, ihre jeweilige Anzahl wiedergibt, und dies drittens auch dann tut, wenn die jeweilige Zehnerpotenz in der angegebenen Summe nicht enthalten ist; die ~ für diese Angabe ist 0 (»Null«). Jede noch so große Zahl kann dadurch problemlos als Summe von Zehnerpotenzen eindeutig niedergeschrieben werden; da die Stellung der hierfür verwendeten ~ in der Niederschrift der Zahl angibt, welche Zehnerpotenz sie wiedergibt, gibt uns diese Stellung den Stellenwert der ~ an. Auf diese Weise können nur zehn ~n existieren.
     Da diese Methode der Zahlenwiedergabe gegenüber allen früheren Systemen das Rechnen außerordentlich erleichtert, hat sie sich über die ganze Welt ausgebreitet; in China geschah dies im 8. Jahrhundert, in Europa auf Befehl des (u.a. arabischsprachigen) Stauferkaisers Friedrichs II. im 13. Jahrhundert. Da die Übernahme der ~n aus dem indischen Raum durch arabische Vermittlung erfolgte, werden die auf die beschriebene Weise eingesetzten Zahlzeichen »arabische ~n« genannt, auch wenn sich ihre äußere Form gegenüber der auch heute noch im arabischen Raum verwendeten inzwischen unterscheidet, um sie den römischen und sonstigen Zahlzeichen entgegenzusetzen. Da die Null ihr entscheidendes Element ausmacht, weil sie ihren Praktikabilitätsvorsprung vor allen historisch konkurrierenden Systemen der Zahlenwiedergabe ausmacht, wurde deren arabischer Name auch auf die neun anderen dazugehörigen Zahlzeichen durch Metonymie ausgedehnt. Durch Analogie, welche durch Gegenüberstellung bedingt ist, wurden dann auch die römischen Zahlzeichen sekundär »römische ~n« genannt.
     Während die eigentlichen, also arab. ~n, den Zahlenwert ausschließlich durch Addition ausdrücken (nämlich von Zehnerpotenzen), kommt bei der römischen Methode noch die Subtraktion hinzu; römische ~n kleineren Wertes, die links von der jeweils größeren Wertes stehen, werden von dieser subtrahiert, rechts von ihr zu ihr addiert, gleichwertige nebeneinanderstehende stets addiert und deren Summe dann je nach Stellung addiert oder subtrahiert. Wenn I=1, V=5, X=10, L=50, C=100, D=500 und M=1000, dann sind somit XVI=16, IIXX=18, LXXIX=79 und MCCXC=1290. Jedoch wurde das System gerade in römischer Zeit keineswegs konsequent eingehalten; es gab schon damals zwischen Addition und Subtraktion Schwankungen (z.B. XVIII für 18 ebenso wie IIXX). Wegen ihrer praktischen Mängel werden römische ~n daher nur noch aus dekorativen Gründen oder zur graphischen Differenzierung bei sehr kleinen Zahlenwerten verwendet.

 

Empfohlene Literatur: Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, Frankfurt/N.Y. 1989.

 
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