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Transsubstantiation
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Transsubstantiation: (von lat. trans »hinüber« und substantia »Stoff«, also etwa »Umstoffung«): Verwandlung kultisch genutzter Substanzen, nämlich »Brot« (meist durch die sog. Oblate ersetzt) und Wein, in das Fleisch bzw. Blut des angeblichen Stifters der christlichen Religion, Jesus. (Der Begriff wurde höchstwahrscheinlich in der 1. Hälfte des 12. Jhds. von dem eng mit Cluny zusammenarbeitenden burgundischen Bischof Etienne de Bâge geprägt.) – Die Vorstellung von der ~ entstammt dem Dionysoskult und wird von allen frühchristlichen Autoritäten (d.h. den kanonisierten »Kirchenvätern«), die sich zum Thema äußern, vehement verurteilt und abgestritten, insbesondere vom hl. Irenäus. Tatsächlich ist die Anerkennung dieser Vorstellung ein Sondergut der katholischen Kirche (und ihrer hussitischen und lutheranischen Abkömmlinge), was sie aber erbittert abstreitet, um ihre Entstehung als relativ späte Abspaltung von der orthodoxen Kirche verleugnen zu können. (Als Ergebnis finden wir hinsichtlich der ~ die kuriose Situation vor, daß die katholische Kirche besser zu wissen vorgibt, was die Dogmen der orthodoxen Kirche sind, als diese selbst, was seinen Niederschlag auch in Lexika und Schulbüchern findet, welche in ihrem Einflußbereich entstanden sind.)
    In Wahrheit übernimmt die Westkirche erst nach langer Zeit und mancherlei Vorstößen (welche ihren Niederschlag in der Legende von der »Gregorsmesse« finden, die in der abendländischen Kunst allerhand Spuren hinterlassen hat) das Dogma von der ~, und zwar verbindlich erst seit dem Laterankonzil von 1215. Dieses Dogma hängt eng mit der Gründungsphase der katholischen Kirche bzw. der in ihr und für sie entscheidenden »cluniazensischen Reform« zusammen, da es die Stellung des Klerus, insbesondere des örtlichen, weit über das zuvor erreichbare Maß hinaus stärkt; seine Mitglieder werden dadurch zu normalerweise heils-(= seelenrettungs-)notwendigen Magiern, da nach katholischer Lehre die ~ ausschließlich durch den Ritus der Wandlung bewirkt werden kann (aber absolut sicher bewirkt wird, sogar ausdrücklich auch gegen den Willen Gottes, dessen Allmacht dadurch eingeschränkt wird), welcher seinerseits nur durch reguläre Kleriker wirksam vollzogen werden kann. Eine derartige Stärkung der klerikalen Macht bzw. Steigerung der klerikalen Ansprüche war erst möglich, als die westkaiserliche Macht bzw. ihre Aufsichtsmöglichkeiten zu schwinden begannen und zugleich das westkirchliche Führungszentrum ein souveränes oder quasi-souveränes, geographisch günstig gelegenes Territorium aufbauen konnte (im Gegensatz zur stets vom legitimen, also byzantinischen Kaiser oder später vom erst bulgarischen oder serbischen, dann russischen Zaren beaufsichtigten Ostkirche, welche darum derlei Neuerungen niemals hätte durchführen können).
     In der Annahme des Eintritts der ~ unterscheiden sich Katholiken und traditionelle Lutheraner (in Deutschland hauptsächlich die VELKD) nicht, wohl aber in derjenigen des wirksamen Mechanismus. Diesen sehen Katholiken (und Hussiten) im fehlerfreien Vollzug der Wandlung, Lutheraner jedoch im bei der Verteilung der Ritualsubstanzen vorhandenen (oder aber nicht vorhandenen, und somit entgegengesetzt wirkenden) Glauben des jeweiligen Empfängers an deren ~. Es entfällt somit das katholische Problem des Mißbrauchs erfolgreich der ~ unterzogener Substanzen (welches sehr häufig den Vorwand zu Pogromen bildete) sowie deren oft sehr aufwendiger ritueller Entsorgung, wenn sie versehentlich verlorengingen, aber auch die machtvergrößernde Sonderstellung des Klerus. Dagegen kann die Frage, ob man wirklich zum entscheidenden Zeitpunkt an die Realität der ~ geglaubt hat, zu unangenehmen Grübeleien führen, welche die psychologische Effizienz des Ritus beeinträchtigen können. Um dieser lästigen Konsequenz zu entgehen, lassen die unierten (d.h. unter staatlichem Druck im 19. Jahrhundert mit einer kalvinistischen Minderheit vereinigten) Protestanten Deutschlands (EKD), welche die erdrückende Mehrheit der örtlichen Protestanten umfassen, die Frage der ~ in der Schwebe, tendieren aber auf Befragen zur Leugnung ihres Eintretens, also zur kalvinistischen und insbesondere zwinglianischen Lehre. (Calvin hatte die ~ zwar bestritten, aber – im Gegensatz zu Zwingli, welcher im Abendmahl evangeliengemäß nur eine »Gedächtnisfeier« zugunsten Jesu [und insbesondere seiner metaphysisch folgenreichen Kreuzigung] sah – auf der realen »spirituellen Gegenwart Jesu« während des Abendmahlsritus bestanden [und Leugner dieser Behauptung verbrennen lassen], d.h. exakt die orthodoxe Lehre vertreten. Seine heutigen Anhänger scheinen diese Lehre ungern bekennen oder präzisieren zu wollen.)
     Die legendäre, d.h. sich auf die Erzählungen kanonischer Schriften berufende Ableitung des ~sdogmas legt Lk. 22,19 zugrunde, welche freilich eher das Gegenteil der katholischen Behauptung enthält; denn Jesus setzt dort unmittelbar nach den Worten »Das ist mein Leib, das ist mein Blut« das »Abendmahl« als Gedächtnis-, also Erinnerungsritus fest. Wäre dies die erste »Wandlung« bzw. ~ im katholischen Sinne gewesen, so hätte Jesus in diesem Augenblick eine erhebliche Gewichts- und Umfangseinbuße erleiden müssen, welche als Wunder ihren Effekt kaum verfehlt hätte; zweitens bestand die Kirche lange darauf, daß Jesus nicht nur (was wahrscheinlich ist) zumindest im Sympathisantenkreis aramäisch gesprochen habe, sondern auch die Evangelien Übersetzungen (de facto fiktiver) aramäischer Originale seien, d.h. aus einer Sprache stammten, die das Wort »sein« und folglich auch dessen mögliche Modi nicht kennt (»ist« oder »sei« i.S. von »bedeutet« folglich nicht unterscheiden kann). Nichtsdestoweniger setzt sie den Eintritt der ~ genau auf den Zeitpunkt des Aussprechens jener (ins Lat. übersetzten) »Stiftungsworte« (»Das ist mein Leib«) aus besagter kanonischer Quelle durch den Ritualleiter an (Hokuspokus).
     Analoge Vorstellungen zur ~ finden sich auch in den Religionen der Azteken (siehe Uhmann) und möglicherweise des alten Mesopotamien.

Lit.: Karl Uhmann, Herzopfer für Huitzilopochtli, System ubw 1987


 
 
 

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