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Zeichen: (verwandt mit gr. »ich zeige«, urverwandt mit lat. digitus »Finger«): einprägsame, in sich geschlossene Sache, die durch Kontingenz mit einer beliebigen anderen Sache verbunden wird. (In diesem Sinne ist »Zeichen« synonym zum technischen Gebrauch des Wortes »Symbol«.) – ~ können akustischer wie optischer, im Falle der Blindenschrift sogar haptischer Natur sein; auch Bewegungsfolgen, z.B. Handbewegungen der Verkehrspolizisten, sind möglich. Die bedeutendste Gruppe akustischer ~ sind Laute bzw. Lautfolgen, die Worte. (Daneben kommen als akustische ~ auch einfachere Ton- oder Geräuschfolgen als Signale zum Einsatz.) Als optische Zeichen können Farben dienen (z.B. in Verkehrsampeln, Spielsteinen oder Uniformen), ihre größte Ausformung zeigen optische ~ jedoch als Grapheme, da deren Herstellung den geringsten Aufwand erfordert und zugleich praktisch unendliche Möglichkeiten bietet. Sie können mit Sachen im weitesten Sinne bzw. den sie bezeichnenden Worten verknüpft werden (Hieroglyphen, »Charaktere«), mit Lauten oder Lautfolgen (Buchstaben), mit Zahlen (Ziffer) oder Tonhöhen und Tonlängen (Noten) verbunden werden; daneben sind beliebige Gelegenheitsverbindungen im Gebrauch (Währungen, Betriebsanweisungen, Rechenanweisungen, syntaktische Abschnitte [Interpunktion] usw.).
     Die Verknüpfung des ~s mit der Sache ist seine Bedeutung (=»Signifikanz«). Wesentlich dabei ist, daß diese Bedeutung ausschließlich durch Kontingenz zustande kommt; kein ~ »hat« eine Bedeutung, es bekommt sie vielmehr auf dem genannten Wege. Dem widerspricht nicht, daß ~ als vereinfachte Abbildungen der bezeichneten Gegenstände anfangen können (ikonische ~, bei Worten, die einen charakteristischen Klang der bezeichneten Sache, oft einen Vogelruf, wiedergeben, Onomatopoietika); entscheidend ist ihre instrumentelle Standardisierung. Da diese historisch außerordentlich oft zum Verlust jedes Abbildungscharakters führt – auch bei den Onomatopoetika! –, erweist sich die Verknüpfung durch (ursprünglich immer beabsichtigte, vgl. den [Zeige]Finger!) Kontingenz als das einzig wesentliche am ~, jeder Abbildungsrest oder jede sonstige wie auch immer geartete sachliche Verbindung zwischen Zeichen und Bezeichnetem als unwesentlich und bloß fakultativ. (Aus der Leugnung dieses Zusammenhangs und dementsprechend der Behauptung einer »Einheit von Bezeichnendem [= ~] und Bezeichnetem« [frz. signifiant u. signifié] zweigt etliche Mystik und Ideologie ab, z.B. bei den deutschen Romantikern und später bei einigen französischen Sprachtheoretikern und deren Schülern; psychologische Grundlage dieser Mystik ist vor allem die Tatsache, daß das ursprüngliche Kontingenzerleben bei früh erlernten ~ gewöhnlich nicht mehr erinnerlich ist.)
     Zeichensysteme, die unter der Zielsetzung maximaler Eindeutigkeit entwickelt wurden (und ausdauernd daraufhin kontrolliert werden), heißen Code. ~systeme, die längere Zeit empirisch im Gebrauch bleiben (unabhängig davon, wie sie entstanden sind), besonders natürlich Sprachen, tendieren dazu, diesen Codecharakter zu verlieren (oder gar nicht erst zu erlangen), da durch den langen und sich überlagernden Gebrauch durch sehr viele Individuen sich zu den benutzten ~ sekundäre Kontingenzen einstellen, deren Durchschnittsanhäufung dem ~, im Falle der Sprache also dem Wort, eine subjektive Färbung verleiht, die sog. Konnotation.
     Aufgrund der entscheidenden Rolle der Kontingenz bei der Herstellung und dem folgenden Einsatz von ~ verwundert es nicht, daß sie bei der Konditionierung (= Dressur) von Tieren und Menschen die allergrößte Rolle spielen. Dies hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, daß die akademische Religionswissenschaft die Religion sehr gerne als »~system« beschreibt; sie bleibt dabei aber aus durchsichtigen Gründen ebenso gerne auf dieser formalen Ebene stehen, um erstens der Untersuchung der Inhalte auszuweichen, welche durch die mittels des ~systems bewerkstelligte Dressur transportiert werden, und zweitens, um jede Rekonstruktion der Entstehung und Geschichte dieses ~systems zu vermeiden, jenes Bestreben einer älteren und weniger eingeengten Religionswissenschaft (z.B. Frazers), das sie unfalsifizierbar als »Evolutionismus« brandmarkt und mit den Denkverboten des Positivismus belegt.
     Der Einsatz von ~ setzt eine gewisse neuronale Entwicklung voraus, welche aufgrund ihrer Aufwendigkeit einen erheblichen Selektionsvorteil gebracht haben muß; eine neuere, noch unbestätigte Theorie setzt unsere Fähigkeit zur Speicherung (und verläßlichen Wiedererkennung) riesiger Mengen graphischer ~ mit dem Spurenlesen in Verbindung. Sicher ist jedenfalls, daß Schimpansen, unsere nächsten lebenden Verwandten, zur Speicherung und Verwendung erheblicher Mengen graphischer und gestischer echter ~ in der Lage sind (was schon vor ca. 250 Jahren der Aufklärer de la Mettrie vermutete, weswegen er Affenexperimente mit Taubstummensprache empfahl!), dagegen sehr schlecht mit akustischen ~ (Wörtern) zurechtkommen, aktiv wie passiv. 


 
 
 

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